Dorfportrait Flerke
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„Ich fühle mich wie ein Flerker“, sagt Fabian Kiepol, obwohl er eigentlich in Welver wohnt. Und er ist nicht der Einzige, der sofort, wenn entsprechender Wohnraum vorhanden wäre, seinen Lebensmittelpunkt hierher verlegen würde. Aber was genau macht dieses Dorf so interessant für Menschen, die hier aufgewachsen sind wie Ludger Ostermann, Kommandeur des Schützenvereins und hier eine wie er sagt unbeschwerte und tolle Kindheit verlebt hat. „Wir konnten auf der Straße spielen und nutzten so das ganze Dorf als unsere Spielfläche.“ Da es allerdings keine Bauplätze gibt, ist er genau wie unzählige andere in der Warteschleife, irgendwann doch wieder in sein Heimatdorf zurückkehren zu können.
„Es ist das Zusammenspiel aller Generationen“, ist Dr. Sebastian Schulze überzeugt. Der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft weiß genau, wie gut die Gemeinschaft untereinander funktioniert. „Wenn man hier eine innovative Idee umsetzen möchte oder ein Projekt anstößt, ziehen alle mit.“ So hatte Flerke schon einen Defibrilator im Ortskern, als alle anderen noch lange weiter darüber diskutierten.
455 Einwohner hat Flerke aktuell, darunter auch viele Zugezogene mit kleinen Kindern. Die, die schon etwas größer sind, finden beim Kinderschützenverein schnell Anschluss. „Wir feiern mit 100 Kindern unser Schützenfest, da sind natürlich auch Familien aus der Nachbarschaft dabei“, sagt Christian Lenferding. Und wenn das jährliche Plätzchenbacken ansteht, dann warten die Senioren schon sehnsüchtig auf den Besuch der Kinder und ihre Plätzchentüte“, ergänzt seine Ehefrau Kathrin. Leider muss diese Aktion 2020 ausfallen, aber der Verein verspricht allen Flerkern eine andere Überraschung, die natürlich jetzt noch nicht verraten wird.
Und da ist es wieder dieses generationsübergreifende Miteinander. Dieses lässt sich übrigens auch durch Corona nicht stoppen. „Wir sind auf Abstand noch enger zusammengerückt“, sagt Regina Meiberg, selbst Flerker Urgestein. Als wir hier Corona-Fälle im Dorf hatten, war es eine Selbstverständlichkeit, dass alle versucht haben, den Nachbarn in Quarantäne zu helfen und sie mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein zu lassen.“
Für ein ausgeprägtes Dorfleben sorgen in Corona-freien-Zeiten zudem die Löschgruppe der Feuerwehr, kurz vor dem Umzug in neue Container, und der Heimatverein mit der Teilnahme am Wettbewerb „unser Dorf hat Zukunft“. „Wir haben hier schon einige Sonderpreise gewinnen können, und freuen uns immer sehr, wenn alle voller Elan anfangen, vor ihrer eigenen Haustür zu kehren.“ Das klappt übrigens auch bei der jährlichen Dorfreinigung im Frühjahr ganz ausgezeichnet, damit zum Schnadegang im Mai alles tip-top ist.
Weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt ist der TV Flerke, Lauf- und Tanzsport werden hier mit soviel Begeisterung umgesetzt, dass die Garden sogar „meisterschaftlich“ unterwegs sind. Die Tanzgarden haben keine Nachwuchssorgen, der Spielmannszug Flerke allerdings schon. Ein Musiktag mit der Möglichkeit, einfach mal in die Instrumente hineinzuschnuppern, wäre sicher eine Idee, sei aber mit Corona schwer umsetzbar.
So liegen auch die Aktivitäten des Dorfgemeinschaftsraums aktuell brach. Seit 11 Jahren werden die Räume der ehemaligen Gaststätte jetzt bereits ehrenamtlich betrieben. Vor der Pandemie gab es regelmäßige Öffnungszeiten an jedem Wochenende, einen Frauenstammtisch und Versammlungen der Dorfgruppierungen, es wurden Kostüme für die Tanzgarden genäht und Weihnachtsplätzchen gebacken. „Wir hoffen, dass das bald wieder so sein wird“, sagt der scheidende Ortsvorsteher Jürgen Supe und spricht damit allen aus der Seele.
Auch die gemeinsamen Feste fehlen den Flerkern in diesen Zeiten sehr. Wenn schon das Kinderschützenfest überdimensional groß gefeiert wird und aus der Initiative einer Schützengarde innerhalb von 10 Jahren ein eigenständiger Schützenverein wächst, dann ist leicht vorstellbar, dass die Ungewissheit aufs Gemüt schlägt. „Eigentlich würden wir nächstes Jahr unser 10-jähriges feiern“, so Ludger Ostermann, „Unser Majestäten Benjamin und Lisa Klaas und wir hoffen, dass es irgendwie möglich sein wird.“
Alle wichtigen Fakten rund ums Dorf und seine Aktivitäten präsentiert alle zwei Monate die Ausgabe „Flerke aktuell“, ebenfalls ein Produkt der Dorfgemeinschaft. 220 Exemplare dieser Zeitschrift gehen an jeden Haushalt, damit der Informationsfluss gesichert ist.
Keine Frage, wer hier wohnt, braucht ein Auto, und auch Geschäfte gibt es nicht. „Der Nahverkehr ist mehr als bescheiden“, weiß auch die zukünftige Ortsvorsteherin Dorothe Dudek-Boxall. Schulbus nach der 8. oder 9. Schulstunde ist nicht existent, „aber ich werde hier, ebenso wie bei allen weiteren für unsere Einwohner wichtigen Themen mein Bestes geben, dass sich etwas ändert“, verspricht sie.
Wer Flerke unverhofft mal bei einem Spaziergang einen Besuch abstattet, sollte auf jeden Fall einen Besuch auf dem Spielplatz mit einplanen. Für Kinder ist der sowieso Pflicht, und für Erwachsene lohnt sich der Blick auf das Trafo-Häuschen, dessen neues Graffiti auch in Zeiten von Corona gute Laune macht und einem ein Lächeln entlockt.
Historie
Den ersten historischen Erwähnungen von Flerke, 1220 Vlerike und 1251 Flerike folgend, war der Ort entweder Fliederreich von Vled = Flieder und rike = reich oder besonders schön und ansehnlich von vlat, fläke = Schönheit und fläge, flege = ansehnlich.
Archäologische Funde belegen zudem, dass die Region bereits während der jüngeren Steinzeit besiedelt war. Römische Quellen belegen zudem die Besiedelung mit germanischen Völkern. 1220 wird beurkundet, dass dem Diederich de Vlerike ein Hof nebst Ackerland in Erbpacht gegeben wurde. Aus dem Jahre 1283 belegt eine Urkunde des Klosters Paradiese eine Grundstücksübertragung, die vor dem Freigericht in Flerike verhandelt wurde. Im "Heimatbuch der Gemeinde Flerke" sind urkundliche Nennungen Flerkes durch die Jahrhunderte bis zur Neuzeit aufgelistet und belegen damit eine durchgehende Besiedlung. Dem „Freistuhl“ wird in der Historie stets eine besondere Bedeutung zugemessen.